Die Journalistin, Bloggerin und Autorin Katrin Rönicke hielt am Sonntag die Auftaktrede zum Medienlabor des Deutschen Journalistinnenbundes. Bevor das Journalistinnenpanel über Zustand und Aufgaben der deutschen Frauenmedien diskutierte, warf sie einen Blick auf Online- und „Totholz“-Medien für Frauen*, Vor- und Nachteile von Online-Medien und deren Finanzierung, und machte außerdem einige Anmerkungen zum Phänomen von innerfeministischen Machtkämpfen und Angriffen im Internet – ein Problem, das auch in diesem Interview thematisiert wird.
Im Panel vorhin fiel die Frage nach speziellen Räumen für Frauen*. Wie können wir aber die breite Masse erreichen, wenn wir uns in gesonderte Räume zurückziehen – sollten wir nicht auch im bestehenden System mehr Raum einnehmen?
Wir sollten beides gleichzeitig tun: Wir brauchen Räume, in denen Frauen* sich etwas alleine erarbeiten können – aber nie mit dem Ziel, dort zu bleiben. Im Bereich IT funktioniert das zum Beispiel sehr gut: Es gibt verschiedene Projekte wie die Rails Girls, die sich in reinen Frauen*räumen treffen und dort Programmieren lernen. Die Hürde existiert ja nicht, weil sie Frauen* sind, sondern weil die Gesellschaft sagt „Weil ihr Frauen* seid, könnt ihr das schlechter.“ Die vielen Männer die schon dort sind, haben dann zudem oft einen gewissen herabsetzenden Umgangston. Es gibt gute Gründe, zu sagen: Frauen* fühlen sich dort sicherer, sie trauen sich mehr, sind weniger Stereotypen ausgesetzt, sie können sich ausprobieren, Dinge entwickeln und lernen, bis sie sich ihrer Kompetenz sicher sind. Hinterher muss das aber wieder zusammengeführt werden, damit nicht getrennte gesellschaftliche Bereiche für Frauen* und Männer* entstehen. Am Ende kommt es darauf an, dass man sich findet und austauscht. Was die Medien angeht, sollten die Frauenmedien die es schon gibt sich ihrer Verantwortung stärker bewusst werden und immer wieder eine aufklärerische Rolle einnehmen, und die politischen Medien müssen noch viel stärker Frauen* integrieren. Dann fehlt nur noch ein politisches Frauenmagazin.
Du hast in deiner Keynote-Rede die Problematik der vielen Konflikte innerhalb der feministischen Netzgemeinde angesprochen. Brauchen wir mehr Bündnisse? Und wie können wir diese festigen?
Ich glaube, dass Bündnisse nicht funktionieren können, wenn man sich nicht traut, innerhalb des Bündnisses zu streiten. Es ist doch gut, seine Überzeugungen zu verteidigen. Was allerdings aufhören muss, sind die besonders im Internet gängigen ad hominem-Attacken, gezielte Angriffe auf eine Person und nicht eine Sache. Das muss man sich abgewöhnen. Wichtiger ist es, Mechanismen zu beschreiben – was habe ich beobachtet, was läuft falsch. Und: wie kann man das besser machen? Auch Empathie ist hier nötig. Und es braucht die Bereitschaft, sich kritisieren zu lassen. Manche Leute finden mein Buch scheiße. Aber wenn ich in die Öffentlichkeit gehen und etwas verändern will, gehört das dazu. So ein Shitstorm ist natürlich nochmal eine andere Nummer, aber wer in der Öffentlichkeit steht, muss eine gewisse Resilienz aufbauen. Für viele Leute wird man da auch zur Projektionsfläche und muss sich sagen: Das lasse ich nicht an mich heran. Irgendwann ist das Routine. Viel schlimmer als solch offensichtlichen Hass finde ich es, aus den eigenen Reihen angegriffen zu werden. Statt uns in Streitereien aufzureiben, sollten wir versuchen, etwas Neues zu schaffen, nach dem Motto: Wenn es mir in einer Gruppe nicht gefällt, schaffe ich eben eine neue und mache das, was mir wichtig ist, an einem anderen Ort weiter. Im Internet ist viel Platz. Wir müssen uns nicht um Platz streiten, höchstens um Aufmerksamkeit.
Besteht dann nicht die Gefahr, dass am Ende jede ihr eigenes Süppchen kocht?
Das passiert meistens nicht. Natürlich hat dann jede ihr eigenes Blog, ihren eigenen Twitter/Youtube/Facebook-Account. Trotzdem gibt es immer wieder Gelegenheiten, sich zu treffen und zusammen für ein bestimmtes Projekt etwas auf die Beine zu stellen. Ich fände es aber schon schön, wenn es ein bisschen mehr Verbindlichkeit gäbe, zum Beispiel die Bereitschaft, einen Verein zu gründen. Das schafft das Gefühl: Wir gehören zusammen; es geht hier nicht um mich, sondern um das Projekt – auch wenn gestritten wird.
In Deinem eben erschienenen Buch „Bitte freimachen“ beschäftigst Du dich mit einer großen Bandbreite an feministischen Themen. An einer Stelle schreibst Du, die streng geteilten Farb- und Rollenzuschreibungen für Jungen und Mädchen machten Dich fassungslos. Du fragst: „Leben wir nicht in einer Welt, in der die Dinge besser und nicht immer schlechter werden?“ Wie würdest Du diese Frage beantworten?
Ich glaube, es geht auseinander. Es gibt eine bestimmte Gruppe, die da sehr viel reflektiert und sich austauscht, zum Beispiel bei Veranstaltungen wie dieser Tagung, und andere, die überhaupt nicht auf die Idee kommen würde, da hinzugehen. Es entsteht eine Schere, auch in Überschneidung mit der Schere zwischen arm und reich und mit den unterschiedlichen Zugängen zu Bildung und politischer, gesellschaftlicher und kultureller Teilhabe. Der politische und gesellschaftliche Mainstream ist konservativ. Dieser Rückschritt zielt genau auf bestimmte sozialökonomische und Bildungsschichten. Ein Beispiel: Wenn ich Kinderkleider kaufen möchte, die sich auch jemand mit geringem Einkommen leisten kann, bin ich im Grunde dazu verdammt, rosa und blau zu kaufen. Erst bei hochwertigeren Produkten wird das neutraler. Ich denke also nicht, dass es einen allgemeinen Backlash gibt – es gibt sehr viele Debatten, es gibt Gender Studies als Studienfach, in dem sich mit solchen Themen auseinandergesetzt wird. Gleichzeitig gibt es aber Bereiche der Gesellschaft, die davon nichts mitbekommen, weil die Schere auseinander geht.
Kann man dieser Entwicklung etwas entgegensetzen?
Ich frage mich oft, ob ich mit meinem Buch Leute außerhalb meiner Peer Group erreiche – ich würd’s mir wünschen. Ich steige bewusst mit persönlichen Geschichten ein, um möglichst viele Menschen anzusprechen. Aber ob es funktioniert, weiß ich nicht. Meine Podcasts hören zwar Menschen verschiedenen Alters und Geschlechts, aber trotzdem erreiche ich damit nicht alle. Da sind Radio und Fernsehen im Vorteil: Die Leute machen das an, und was dann läuft wird konsumiert. Diese Medien sind daher sehr wichtig und interessant, weil sie dieses Zufallspublikum erreichen, auch Leute, die sich mit diesen Themen sonst nicht beschäftigt hätten.